Fahrsituationen an innerstädtischen Knotenpunkten stellen durch die Vielzahl an Einflussfaktoren und Dichte von Verkehrsteilnehmern den größten Unfallschwerpunkt innerhalb von Ortschaften dar. Moderne Fahrerassistenzsysteme (FAS) können den Fahrer in diesen komplexen Situationen durch die Ausgabe vielfältiger Hinweise und Warnungen sowie durch aktive Eingriffe in die fahrdynamische Regelung unterstützen. Die Auslegung von FAS erfolgte in der Vergangenheit vor allem auf Grundlage von statistisch optimierten Fahrermodellen, um die Wirksamkeit sicherheits- oder komfortfördernder Effekte für eine breite Masse an Fahrern mit unterschiedlichen Fahrstilen zu gewährleisten. Im Hinblick auf die Menge möglicher Assistenzfunktionen in innerstädtischen Verkehrsszenarien, potenziell unangemessene Zeitpunkte ihrer Auslösung oder die fehlende Passung zum intendierten Fahrmanöver sowie individuellen Verhaltensmuster und Präferenzen können diese Systeme allerdings auch eine zusätzliche Belastung für den Fahrer darstellen. Für die Entwicklung moderner FAS ist es daher bedeutsam, neben einem funktionsorientierten Ansatz auch situative Anforderungen durch die Vorhersage zukünftiger Verhaltensweisen sowie individuelle Merkmale des Fahrers zu berücksichtigen. Die vorliegende Arbeit untersucht die Möglichkeiten einer fahrerspezifischen Parametrierung eines Prädiktionsalgorithmus zur Vorhersage von Abbiegemanövern. Hierfür wird zunächst ein umfassender Überblick zu kognitiven Prozessen der Fahraufgabe, Einflussfaktoren des Fahrverhaltens, spezifischen Verhaltensmustern bei der Annäherung an Knotenpunkte sowie Verfahren zur Detektion von Fahrermerkmalen und -intentionen erarbeitet. Für die Ableitung des Prädiktionsalgorithmus wurden empirische Untersuchungen im Realverkehr sowie im experimentellen Versuchssetting durchgeführt, um potenzielle Indikatoren von Abbiegemanövern zu bewerten und den Einfluss von Fahrermerkmalen auf fahrdynamische Kennwerte im Vorfeld von Abbiegemanövern zu untersuchen. Für die Speicherung, Vorverarbeitung und Analyse der umfangreichen Datensätze wurde ein modulares Framework implementiert, der es ermöglicht, relevante Datenabschnitte aus den aufgezeichneten Realfahrdaten zu extrahieren und aufzubereiten. Anschließend wurde ein Prädiktionsmodell abgeleitet und implementiert, das bei der Vorhersage von Knotenpunktmanövern individuelle Fahrermerkmale berücksichtigt. Die Untersuchung des Potenzials des fahrer-adaptiven Prädiktionsalgorithmus erfolgte exemplarisch mithilfe des Fahrstils und des Fahrerzustands. Auf Grundlage der Ergebnisse werden die Herausforderungen fahrerspezifischer Prädiktionsmodelle und der Vorhersage von Fahrmanövern an Knotenpunkten diskutiert.
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