Eine nähere Betrachtung der bisherigen Untersuchungen alter Ausgangsmeridiane der Längenzählung zeigte, daß diese fehlerhaft bestimmt wurden. Als Ursache dieser Fehler ergab sich die Methode der Rückrechnung. Die alten Längenwerte wurden als fehlerfrei angenommen und in einem modernen Längensystem abgetragen. Bei den alten Kartographen traten aber bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts mehr oder minder ausgeprägte Längenfehler auf. Wegen der Vernachlässigung der fehlerhaften Vorstellungen der alten Kartographen über die Längenverhältnisse sowohl im Atlantik, in dem die die Ausgangsmeridiane festlegenden Inseln liegen als auch auf dem Festland, mußte diese Methode zu fehlerhaften Schlüssen führen. Es wurden daher die Längenfehler der alten Karten von den atlantischen Inseln bis zum Ost-Ende des Mittelmeeres vom 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts systematisch untersucht. Für die verschiedenen Kartographen wurden geschlossene Reihen von Längenwerten über den gesamten Untersuchungsbereich erstellt. Als Quellen dieser Untersuchung wurden geographische Positionstabellen, Erdeil- und Weltkarten in Atlanten, Einzelkarten und Globen verwendet. Die Vorstellungen über die geographischen Längen der atlantischen Inseln waren bis ins 18. Jahrhundert völlig unvorhersehbaren Schwankungen unterworfen. Am Festland zeigten die Längenfehler eine systematische Komponente, die noch zusätzlich von den individuellen Fehlern der Ortslängenwerte überlagert wurde. Die Längenfehler am europäischen Festland wurden ursprünglich durch die Festlegung der Länge der Mittelmeerachse zwischen Gibraltar und Alexandretta durch Ptolemäus mit 62° verursacht. Damit wurde ihre Länge um 20° bzw. um etwa 50 % überschätzt. Dieser Fehler wurde, gestützt auf die große Autorität des Ptolemäus, in langsam abnehmendem Maße noch lange tradiert. Erst als Gerhard Mercator die Achslänge des Mittelmeeres in seiner Europakarte von 1554 auf 53° verkürzte, konnte sich dieser verbesserte Wert durchsetzen. Obwohl der Längenfehler der Mittelmeerachse noch immer 11° betrug, wurde dieser Wert bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts in der Atlaskartographie nur in kleinen Schritten korrigiert. Eine durchgreifende Verbesserung erfolgte gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch Expeditionen Königlichen Akademie der Wissenschaften in Paris, nach damals schwer zugänglichen Orten im östlichen und südlichen Mittelmeerbecken und auf atlantische Inseln. Auf Karten treten allerdings die alten Werte, wahrscheinlich bedingt durch kommerzielle Überlegungen, noch lange auf. In Atlanten findet man im Textteil manchmal Hinweise, ab welchem Meridian die Längen gerechnet wurden. Diese Hinweise haben aber eher programmatischen Charakter und wurden meist nur in den Erdteil- oder Weltkarten realisiert. Die Regionalkarten, die in den meisten Atlanten aus unterschiedlichen Quellen übernommen wurden, zeigen oft mehrere davon abweichende Ausgangsmeridiane. Um eine Vergleichsbasis zu gewinnen, wurden daher aus über 3.000 Einzelwerten zahlreiche Längenverlaufskurven ab bekannten Ausgangsmeridianen ermittelt und graphisch dargestellt. Mit deren Hilfe konnte zahlreiche früher verwendeter Ausgangsmeridiane von Regionalkarten identifiziert werden. So konnte zum Beispiel auch der meist als "willkürlich" bezeichnete Ausgangsmeridian, der bei einer Rückrechnung ohne Berücksichtigung der Längenfehler zwischen den Inselgruppen der Kanaren und Kap Verden durch den offenen Atlantik verläuft, einwandfrei als der Meridian des Pico de Teide auf Teneriffa identifiziert werden. Um einen Überblick über die Entwicklung der Genauigkeit der Karten und Tabellen vom 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zu erhalten wurde eine Fehlerkennzahl entwickelt. Es zeigte sich, daß die Verbesserungen nicht kontinuierlich, sondern in Stufen vor sich gingen und, daß es manchmal lange dauerte, bis sich die besseren Werte durchsetzten.
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