Welche Strukturen und Mechanismen sind nötig, um ein Versicherungsunternehmen wertschöpfend zu steuern und in einem angemessenen Umfang zu kontrollieren? Diese Frage stellen sich Unternehmen, Wissenschaft, Gesetzgeber und Finanzaufsicht unter dem Begriff Corporate Governance. Die vorliegende Arbeit diskutiert und vereint Corporate-Governance-Positionen unterschiedlicher Interessengruppen. Ziel dieser Arbeit ist es, aus bestehender Literatur, etablierten Regelwerken und einer empirischen Untersuchung abzuleiten, wie Corporate Governance die Wertschöpfung von Versicherern unterstützen kann. Als Basis der Untersuchung dient ein Corporate-Governance-Rahmenmodell. Dieses wird aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen hergeleitet: aus der Institutionenökonomik, aus Motivationstheorien, aus Innovations- und Wertschöpfungstheorien sowie aus evolutorischen Theorien. Das hergeleitete Rahmenmodell besteht aus vier Elementen: (1) Anreize und Kontrollen, (2) Unternehmens- und Risikokultur, (3) fachliche und persönliche Eignung und (4) Weiterentwicklung des Governance-Systems. Die Ausrichtung der einzelnen Governance-Elemente im Sinne der Governance-Theorien sowie der Governance-Regulatorik zielt darauf ab, die Wertschöpfung von Versicherern zu fördern. Das Corporate-Governance-Rahmenmodell wird anschließend auf die Aufbau- und Ablauforganisation von Versicherern angewendet. Die Aufbau- und Ablauforganisation soll eine möglichst konfliktfreie Strukturierung von Geschäftsbereichen und eine offene Zusammenarbeit sicherstellen. Um eine offene funktionsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern, können Vorstände Komitees (auch Ausschüsse oder Gremien genannt) für wesentliche Unternehmensentscheidungen etablieren. Komitees weisen dabei wichtige Charakteristika auf. Erstens bringen sie unterschiedliche fachliche Perspektiven der Unternehmenssteuerung und Kontrolle zusammen. Zweitens können Versicherer, die ein Komitee-System für wesentliche Entscheidungen etabliert haben, sich im Tagesgeschäft stärker auf wesentliche Chancen und Risiken konzentrieren. Drittens können Kontrollfunktionen ein Komitee-System nutzen, um eigene Kontrollsysteme im Unternehmen zu etablieren. In einer empirisch-qualitativen Analyse wird abschließend untersucht, inwiefern das entwickelte Corporate-Governance-Rahmenmodell in der Praxis Anwendung findet. Der Fokus der Untersuchung liegt dabei auf den Bereichen der Corporate Governance, in denen regulatorische Anforderungen besondere Auslegungsspielräume für Unternehmen bieten. Die empirische Untersuchung zeigt, dass sich Versicherer in Deutschland im Wesentlichen in zwei Governance-Typen einteilen lassen, nämlich in den proaktiven und reaktiven Governance-Typ. Während der proaktive Typ Corporate Governance als Chance begreift, um das eigene Unternehmen nach den wesentlichen Geschäftstätigkeiten zu steuern und zu kontrollieren, sieht der reaktive Typ Corporate Governance lediglich als regulatorische Bürde. Dabei wird beobachtet, dass proaktive Governance-Typen ihre Governance-Systeme systematisch ausgestalten. Entsprechend dem Corporate-Governance-Rahmenmodell sorgen sie für eine Aufbau- und Ablauforganisation, die eine möglichst konfliktfreie Organisation und eine offene Zusammenarbeit über Vorstandsressorts hinweg ermöglicht. In der Ausgestaltung ihrer Governance-Systeme unterscheiden sie sich damit essentiell von reaktiven Governance-Typen, die lediglich regulatorische Mindestanforderungen umsetzen. Die befragten Mitarbeiter von Versicherern des proaktiven Governance-Typs sind überzeugt, dass das Governance-System ihres Versicherers im Branchenvergleich eine gute bis überdurchschnittlich gute Wertschöpfung ermöglicht. Die aufwändige und bedachte Ausgestaltung der Governance-Systeme des proaktiven Governance-Typs deutet zudem darauf hin, dass die Vorstände der Versicherer bewusst personelle und finanzielle Mittel in die Ausgestaltung ihrer Governance-Systeme investieren. Im Einklang mit der Theorie streben sie dabei nach einem der Wertschöpfung dienenden Governance-System – mit einem offenen Zusammenarbeitsmodell und der Berücksichtigung von fachlichen Kontrollfunktionen in wesentlichen Unternehmensentscheidungen. Diese Arbeit entwickelte eine Governance-Rahmenmodell, dessen Umsetzung die Wertschöpfung eines Versicherers in der Theorie positiv beeinflusst. Die durchgeführte empirisch-qualitative Untersuchung festigt die These, dass die Umsetzung und Anwendung des Modells auch in weiten Teilen von der Versicherungspraxis als wertstiftend empfunden wird. Wollen Versicherer ein entsprechendes Governance-System etablieren, können sie sich an dem theoriegeleiteten Corporate-Governance-Rahmenmodell dieser Arbeit orientieren.
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